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Verschwinden bald auch die letzten Streuobstwiesen?

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung vom 07. / 08. Januar 2023

Dass Streuobstwiesen dringend erhalten werden sollten und dass diese ein wesentlicher Bestandteil unseres Ökosystems sind, weil sie auch einen Lebensraum für Bienen und Insekten darstellen, wissen wir alle und dass es sehr reizvoll ist, einen Spaziergang oder eine Wanderung entlang von Streuobstwiesen zu machen, auch. 

Leider gibt es immer weniger Streuobstwiesen, da die Pflege solcher Obstbäume einen hohen Aufwand darstellt und es immer weniger Menschen gibt, die regelmäßig mit der langen Leiter bis 10 m hoch auf die Obstbäume hochsteigen, um diese zum Erhalt und zum besseren Gedeihen fachgerecht zurückzuschneiden. 

Dass Streuobstwiesen auch deshalb verschwinden, weil eine Kommune neue Wohn- oder Gewerbegebiete schaffen möchte, ist ebenfalls auch oft ein Grund, dass die Streuobstwiesen verschwinden, aber nie ohne ökologischen Ausgleich.

Der Fall in Bretten, der hier im Artikel zitiert wird und über den schon ausführlich anderweitig berichtet worden ist, ist sicher ein besonderer Fall, der so häufig nicht vorkommt, sonst wäre nicht so ausführlich darüber berichtet worden und das Ganze hätte nicht bundesweites Interesse erregt. 

Was ich nicht wusste ist, dass wir in Baden-Württemberg seit 2020 die strengsten Regelungen haben zum Erhalt von Streuobstwiesen.

Dass Streuobstwiesen aus ökologischer Sicht die wertvollsten landwirtschaftlichen Flächen sind ist sicher auch den Städteplanern, die solche Neubaugebiete zusammen mit der Kommune entwickeln, bekannt und dass auf diese Streuobstwiesen Rücksicht zu nehmen ist, ebenso.

Es kann jedoch kein Dogma sein, wenn, wie z. B. jetzt in Bretten, ein mehrere Hektar großes Gewerbegebiet entstehen soll und sich eine Streuobstwiese mit 40 Bäumen mittendrin befindet und deshalb dort der Entwicklung der Kommune „im Weg ist“, diese Streuobstwiese unter allen Umständen erhalten werden muss.

Dafür gibt es klare Regelungen über einen ökologischen Ausgleich, welcher zu schaffen ist, d. h. am besten ist an anderer Stelle im neu geplanten Gewerbegebiet eine neue Bepflanzung mit Obstbäumen durchzuführen, um den Bestand, der nun gerodet werden soll, mindestens gleichwertig zu ersetzen.

Jedes Baugebiet wird genau untersucht. Entsprechende Gutachten fließen in die Bebauungspläne ein, was das Artenschutzrecht betrifft und natürlich auch, was als ökologischer Ausgleich zu leisten ist, wenn bislang landwirtschaftliche Flächen und / oder Streuobstwiesen weichen sollen. 

Dies lag sicher auch dem Bebauungsplan in Bretten zugrunde.

Die Frage ist, ob dieser Bebauungsplan schon rechtsgültig ist, d. h. ob die Träger öffentlicher Belange, damit z. B. auch der BUND, bereits entsprechende Einwände machen konnten und ob die Anregungen, die hier vorgetragen wurden, korrekt abgewogen wurden im Gemeinderat.

Wenn die Fällung der Bäume erfolgt ist, bevor die Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans in Kraft getreten ist, ist hier tatsächlich etwas „abgelaufen“, was auf keinen Fall so hätte ablaufen dürfen.

Mit Sicherheit kann man auch nicht auf ein fehlerhaftes Gesetz schließen, wenn von 54 Anträgen auf Rodung nur 2 abgelehnt worden sind in Baden-Württemberg bis Februar 2022.

Wenn der entsprechende ökologische Ausgleich geschaffen wird und dieser korrekt ist, d. h. nach Prüfung durch die Genehmigungsbehörde, dann darf nicht nur, sondern dann muss dem Antrag auf Rodung stattgegeben werden.

Dieser Zeitungsartikel ist auch deshalb erschienen, da jetzt die Naturschutztage 2023 waren vom 5. bis 8. Januar 2023 und gerade über dieses Thema der Streuobstwiesen intensiv gesprochen wurde.

Bedauerlicherweise gibt es jetzt auch noch, wie Herr Klaus Schmieder von der Uni Hohenheim ausführt, neue tödliche Krankheiten wie den Schwarzen Rindenbrand, die den Bestand der Streuobstwiesen gefährden.
 
Herr Schmieder führt diese Erkrankung auf die längeren Hitze- und Trockenperioden zurück, unter denen die Bäume extrem gelitten haben.

Dass wir dringend eine Innenentwicklung vor einer Außenentwicklung brauchen, wird deshalb seit Ende der 90er Jahre regelmäßig diskutiert, aber aus den verschiedensten Gründen nicht wirklich umgesetzt, d. h. es klappt nur sehr schwer mit der innerörtlichen Nachverdichtung und damit mit der Reduzierung des Flächenverbrauchs am Orts- oder Stadtrand.

Der NABU hat die Fakten und Daten zusammengestellt für den Naturschutz. Wir fügen Ihnen diese in der Anlage bei. Die Zahlen, wie die Flächenversiegelung zunimmt, sind schon erschreckend. 

Der NABU wirft unserer Landesregierung vor, dass noch nicht erkennbar ist, wie bis 2035 erreicht sein soll, dass es keine neuen Flächenversiegelungen mehr gibt.

Ich kann mir viel vorstellen, aber nicht, dass wir keine weiteren Flächenversiegelungen bekommen. Aber wir müssen diese auf das Notwendigste begrenzen und jetzt endlich mit den richtigen Ansätzen die Innenentwicklung vorantreiben.

Der Vater des Oberbürgermeisters von Tübingen, Herr Helmut Palmer, auch als Remstal-Rebell bekannt, hat vor weit über 30 Jahren bereits gefordert, dass entlang von Straßen nicht irgendwelche Bäume gepflanzt werden, sondern Obstbäume. Dies geschieht in geringem Umfang laut meiner Beobachtung, aber bei Weitem nicht flächendeckend. 
Dazu gehört natürlich auch, meiner Meinung nach, dass ein entsprechender Wiesenstreifen neben der Straße zur Verfügung steht, auf dem die Obstbäume wachsen können. Dieser Wiesenstreifen ist dann auch Lebensraum für Bienen und Insekten und deshalb mindestens 8 bis 10 m breit.

Was mir problematisch erscheint ist, dass diese Bäume auch entsprechend dauerhaft gepflegt werden.

Es werden hier auch, nach meiner Beobachtung, nur sehr kleine Bäume gepflanzt mit 1 m bis 1,50 m Höhe. Bis aus solch einem jungen Baum ein richtig großer Obstbaum geworden ist, sind wir alle miteinander 30 bis 40 Jahre älter.

Man kann auch Obstbäume in den Baumschulen kaufen, die eine Höhe von 2,5 m bis 3 m haben, dann würden diese bereits nach wenigen Jahren ihre Funktion erfüllen können.

Bei uns im Landkreis Böblingen gibt es im Landratsamt einen Spezialisten für Obstbäume. So jemand müsste dann auch die Überwachung übernehmen, ob die Pflege von Obstbäumen entlang von neu gebauten oder sanierten Straßen – außerhalb des Ortes – auch richtig vorgenommen wird und die Bäume deshalb auch gut gedeihen.

Wenn man bedenkt, was 1 km Straße kostet, dann kann es kein Argument sein, an den Obstbäumen pro Baum 200 € zu sparen und deshalb nur einen kleinen Baum mit 1 m bis 1,50 m Höhe zu pflanzen.

Wir fügen auch den Bericht der Universität Hohenheim bei, der auf Basis der Naturschutztage 2023 entstanden ist.

Es ist erschreckend, wie viele Obstbaumwiesen seit den 50er Jahren verloren gegangen sind. Ich fürchte allerdings nicht nur wegen der Erweiterung von Gemeinden oder wegen Straßenbaumaßnahmen, sondern ich kenne hier in unserem Raum einige Leute, die eine Streuobstwiese besitzen und die sagen, sie fühlen sich jetzt zu alt, um eine fachgerechte Pflege durchzuführen und ihre Kinder wohnen weit weg und / oder haben kein Interesse daran, sodass die Bäume dann, wie salopp gesagt wird, „rausgemacht“ werden mit der Wurzel. 

Auf Seite 12 wird dargestellt, wie hoch die Dichte ist betreffend der Streuobstwiesen. Ich denke, das Bild ist hier verzerrt, da es nicht verwundert, wenn es im Schwarzwald-Baar-Kreis wenig Obstbäume gibt und Streuobstwiesen, da dort eine große Fläche bewaldet ist, d. h. dort sind auch historisch wenige Obstbaumwiesen vorhanden.

Die abschließende Frage lautet deshalb aus meiner Sicht wie folgt: 

Was können wir alle gemeinsam unternehmen, um die Flächenversiegelung nur noch in geringem Umfang ansteigen zu lassen, d. h. innerörtliche Entwicklungsmöglichkeiten in vollem Umfang nutzen. 

Sprechen Sie doch einfach mal Menschen an, die Sie kennen, die innerörtlich ein Haus besitzen, das älter ist und das nur noch von einer Person bewohnt wird und das auf einem relativ großen Grundstück steht, ob Interesse daran besteht, einen Teil ihres Grundstücks zu veräußern, damit dort Wohnraum für junge Familien entstehen kann.

In fast jeder Gemeinde gibt es Streuobstwiesen, die von den Eigentümern aufgrund ihres Alters nicht mehr richtig betreut werden können. Der örtliche Obst- und Gartenbauverein kann hier sicher den entsprechenden Kontakt herstellen und dann könnten Leute, die Spaß an der Natur haben, sich um die Pflege solcher Bäume kümmern und damit den Erhalt der Streuobstwiesen absichern.

Es gibt sicher noch weitere gute Ansätze, um den Bestand an Streuobstwiesen zu sichern. Hier ist Ihre Kreativität gefragt.

Bleiben Sie gesund.

Gärtringen, den 10. Januar 2023

Bernd Geisel, Bauconcept Projektentwicklung GmbH

NABU Faktenpapier        Artikel Stuttgarter Nachrichten