Aktuelles / Pressespiegel

Hohenheimer Gespräch bei der Architektenkammer in Stuttgart am Donnerstag, den 9. März 2023 

Seit vielen Jahren veranstalten die fünf Stuttgarter Kammergruppen immer Mal wieder Podiumsdiskussionen mit namhaften und kompetenten Teilnehmern zu aktuellen Themen.

Nach 2,5 Jahren Coronapause ging es nun am 9. März 2023 ab 19.00 Uhr im Haus der Architekten um das Thema: Die begrünte Fassade soll das Stadtklima verbessern. Der bisherige Einsatz von Grün in der Stadt, in Parks, als straßenbegleitende Bäume und Hecken, Rabatten und Böschungen, in Gärten, auch begrünten Dächern, Balkonen und Terrassen reicht nicht mehr aus, um das Stadtklima ausgewogen zu halten, angesichts der globalen Erwärmung. 

Das war das Thema, ich fand es nicht nur spannend und wichtig, sondern es war auch Mal wieder eine Gelegenheit eine Expertenmeinung im ureigensten Sinne im Bereich der Architektur kennen zu lernen und „nicht nur“ wie in den letzten Jahren, zum Thema Qualitätssicherung, Normen und anerkannte Regeln der Technik etc., was natürlich sehr wichtige Themen sind, die für unsere tägliche Arbeit beim Bau von Häusern beachtet werden müssen, aber es gibt wichtige Themen darüber hinaus. 

Die Stadt Stuttgart hat schon vor Längerem vorgegeben, dass 30 % der Gebäudefläche zu begrünen sind, auch unsere Landesregierung fordert die Dach- und Fassadenbegrünung. Wir müssen dieses tun um der globalen Erwärmung entgegenzutreten, d. h. die Folgen für die Menschen die in Gemeinden und Städten wohnen versuchen zu reduzieren.

Die Kollegen/innen von den Kammergruppen Stuttgart konnten Herrn Felix Jansen von der DGNB als Moderator gewinnen und Herrn Kilian Kada vom Büro kadewittefeldarchitektur, ein sehr erfolgreiches Architekturbüro mit 160 Mitarbeitern und Herrn Prof. Christoph Mäckler, Architekt und Stadtplaner von der Gesellschaft Deutsches Institut für Stadtbaukunst.

Für den kommunalen Bezug sorgte Herr Peter Pätzold, Bürgermeister für Stadtbau, Wohnen und Umwelt in Stuttgart, selbst Architekt und lange Zeit Mitglied der Fraktion der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat. 

Es kristallisierte sich relativ schnell aus meiner Sicht Folgendes heraus:

Herr Peter Pätzold meinte die 30 % der Gebäudeaußenfläche die die Stadt Stuttgart festgelegt hat für die Neubebauung von Grundstücken sei flexibel und man könne hier sicher über gute Lösungen diskutieren. 

Damit bleibt das Dilemma, dass seit mindestens 30 Jahren bei der Stadt Stuttgart besteht, man macht die Regeln so, dass man sie in jede Richtung auslegen kann, und deshalb die Stadt Stuttgart wesentlich mehr Einfluss nehmen kann auf die Planung und dies auch tut, wie es sinnvoll und richtig ist. 

Aus diesem Grund hat Bauconcept Ende der 90er Jahre das letzte Mal in Stuttgart gebaut, und wir haben nicht vor, es nochmal zu tun.

Herr Kilian Kada vertrat die Auffassung, dass eine Fassadenbegrünung, auch wenn sie in Pflanztrögen erfolgt und einer künstlichen Bewässerung bedarf, der richtige Schritt ist und dass es dabei Sinn macht, dass in die Fassadenplanung Landschaftsarchitekten mit einbezogen werden. 

Herr Prof. Christoph Mäckler vertrat die Gegenposition und hat darauf hingewiesen, dass nur ein Baum den notwendigen Ausgleich bringt, den wir dringend brauchen zur Teilbewältigung des Klimawandels.

Auch einer Fassadenbegrünung stand Herr Prof. Mäckler „nicht im Weg“, im Gegenteil er sagte eine mit wildem Wein oder Efeu bewachsene Fassade wäre optimal, dies setzt allerdings voraus, dass dieses Fassadengrün im natürlichen Boden wurzelt, ebenso wie die Bäume.

Solche Fassadenbegrünungen sind natürlich bei Gebäuden die höher sind wie 15 m oder 20 m nur äußerst begrenzt möglich, aber bis die Fassade begrünt ist sind wir alle 30 bis 40 Jahre älter, auch bei 20 m hohen Gebäuden. 

Herr Prof. Mäckler wies eindeutig darauf hin, dass nicht das Thema Fassadenbegrünung im Vordergrund stehen muss, sondern dass die Nachhaltigkeit der Gebäude die entscheidende Rolle spielt und dass dies der richtige Hebel ist um Entscheidendes gegen den Klimawandel und Co2 Ausstoß zu tun. Er verwies dabei auf den Kollegen Florian Nagler aus München, der schon einige Zeit Gebäude ohne Technik erstellt und deshalb monolithisch baut mit sehr dicken Außenwänden.

Herr Prof. Mäckler wies weiter darauf hin, dass sogenannte Wärmedämmverbundsysteme wie sie sicher bei 90 % der (Wohn-) Neubauten seit vielen Jahren Verwendung finden, für eine Fassadenbegrünung nicht geeignet sind, da die dort enthaltenen Chemikalien zum Schutz vor Veralgung natürlich auch z. B. Efeu oder wildem Wein davon abhalten an der Fassade hochzuwachsen. 

Aus Sicht von Herrn Prof Mäckler kommt ein Wärmedämmverbundsystem sowieso nicht in Frage, da die Entsorgung des Materials in 40 Jahren (durchschnittliche „Lebensdauer“) nicht wirklich möglich ist, das ist ein gewaltiges ökologisches Problem, ganz abgesehen davon, dass die Herstellung des Systems heute Unmengen natürlicher Ressourcen bedarf, die sehr endlich sind und eine Wiederverwendung oder Recycling nicht möglich ist. 

Wir bei Bauconcept bauen keine Hochhäuser, deshalb weiß ich nicht, wie stark Wände sein müssen um ein 5- oder 6-geschossiges Gebäude zu ermöglichen. Bei den  Einfamilien-, Reihen-, Doppel- und Kettenhäusern die Bauconcept erstellt, haben wir 30er Außenwände auch mit innenliegender Wärmedämmung (Lebenserwartung weit über 100 Jahre), man könnte auch mit Ziegelsteinen bauen die dann wahrscheinlich 36,5 cm stark sind. 

Wir bei Bauconcept planen es bei den jetzigen Außenwandsteinen zu belassen, da diese aus unserer Sicht nicht nur eine gute Wärmedämmung haben, sondern auch einen sehr guten Schallschutz erreichen, was in unserer dicht besiedelten Region unserer Meinung nach unerlässlich ist, um einen hohen Wohnkomfort für unsere Kunden abzusichern, auch das ist Nachhaltigkeit.

Es fiel dann auch in der Diskussion, d. h. insbesondere von Herrn Prof. Mäckler das Thema Greenwashing, wenn Pflanztröge auf Balkone gestellt werden um die Fassade zu begrünen, dem kann ich mich anschließen. Herr Kada sah dies anders, und hat   das zwischenzeitlich mehrfach prämierte Gebäude das die Architekten, die Stuttgart 21 entworfen haben, wo ein Teil der Fassade und des Daches mit Buchenhecken „verkleidet sind“ als positives Beispiel hervorgehoben.

Herr Prof. Mäckler warf hierzu ein, dass Regen endlich ist und wir deshalb nicht Dinge tun sollten die einer intensiven Bewässerung bedürfen, weil damit die natürliche Ressource Wasser nicht richtig eingesetzt ist, da liegt er sicher nicht daneben, zumindestens nicht weit, wie ich meine.

Herr Prof. Mäckler fragte dann Herrn Bürgermeister Pätzold, wann er das letzte Mal bei der Stadt Stuttgart einen Bebauungsplan hat ausarbeiten lassen, der die Pflanzung einer Baumallee vorgegeben hat, die Antwort erspare ich Ihnen, sie war 3 Minuten lang und hat die Frage nicht wirklich beantwortet, sondern es wurde viel dazu gesagt, was alles getan wird in Sachen Begrünung, aber eine Antwort wurde nicht gegeben, d. h. es wurde keine Baumallee geplant in den letzten Jahren. 

Warum sich niemand getraut hat das neue Projekt Calwer Passage in Stuttgart anzusprechen, weiß ich nicht, das wurde ja hochgelobt, weil hier die Fassade mehr oder weniger grün ist und die Pflanzen die hier runterhängen schon jahrelang, d. h. während der Bauzeit irgendwo gezüchtet wurden, damit sie gleich im „großem Zustand“ eingepflanzt werden konnten in Pflanztröge. 

Über Architektur kann man trefflich streiten, das was wir heute ansprechend finden, finden wir vielleicht in 20 Jahren grässlich, das wissen wir nicht, und das wird sich meiner Einschätzung nach auch nie ändern. 

Für mich ist das Bauvorhaben Calwer Passage ein klassisches Beispiel für Greenwashing.

Ich füge Ihnen ein paar Fotos des Projekts bei, damit Sie sich selbst ein Bild machen können, ebenso wie die Buchenhecken an der Fassade und natürlich auch Fotos des zwischenzeitlich in Europa bekanntesten begrünten Hochhauses in Mailand mit den „Baum“ bepflanzten Balkonen.

Ich weiß nicht ob es stimmt, aber es soll so sein, dass sich die Bewohner dieses Hauses in Mailand sehr darüber aufregen, dass Gärtner die dortige Fassadebepflanzung pflegen müssen damit diese erhalten bleibt, und dies deshalb zu ganz beträchtlichen Nebenkosten für die Nutzer führt. 

Es gibt immer mehrere Möglichkeiten es richtig oder falsch zu machen.

Eines habe ich aber auf jeden Fall mitgenommen, es ist richtig und auch zukunftsorientiert, wenn wir bei Bauconcept weiterhin – wie seit 35 Jahren - pro Haus das wir bauen, mindestens 3 Bäume pflanzen auf dem eigenen Grundstück (mittelgroße Bäume) und überall dort, wo es möglich ist ein begrüntes Flachdach verwirklicht wird, und für eine nachhaltige Regenwasserpfufferung von Bauconcept gesorgt wird, damit das Oberflächenwasser zumindestens weitestgehend zur Bewässerung der Bepflanzung Verwendung finden kann und zur Versickerung und damit  zur Stabilisierung des Grundwasserspiegels.

Wir fügen Ihnen auch zwei Fotos bei, wie wir bei uns im Büro die teilweise Fassadenbegrünung gemacht haben 2001, wobei wir hier keine Pflanzen ausgewählt haben, die sich in der Fassade verankern (Glyzine), sondern wir haben jeweils eine Seilkonstruktion mit Edelstahlspannseilen, die es z. B. bei der Firma Carl Stahl Süßen schon seit mindestens 5 Jahrzehnten gibt. Was auch geeignet ist als Fassadenbegrünung sind Waldreben (Clematis), wie wir sie auch mehrfach bei uns am Büro haben, diese klettert – fast - von alleine hoch. Diese Kletterpflanzen sind auch ein Lebensraum für Vögel.

Die Waldreben wachsen auch an einem Regenrohr hoch und brauchen dann kein spezielles Klettergerüst. 

Selbstverständlich gibt es viele dauergrüne Kletterpflanzen, nicht nur Efeu. Zwischenzeitlich gibt es auch einen Verband für Fassadengrün mit dem sich viele Landschaftsgärtner die sich auf Fassadenbegrünung spezialisiert sind, eine gemeinsame Interessenvertretung geschaffen haben. Auskunftsfreudig ist dieser Verband meiner Erfahrung nach, leider nicht. 

Es gibt aber genügend Literatur zu diesem Thema.

Ich füge Ihnen dann noch ein Foto bei, wo Sie eine blühende Glyzine sehen und ein Bespiel über eine Fassadenbegründung bei einem Bürogebäude – das auf Wohnhäuser 1 zu 1 übertragen werden kann - mit Edelstahlspannseilen der Firma Carl Stahl.

Kletterpflanzen die aus Blumenkübeln rauswachsen sind sehr pflegeintensiv, sie bedürfen im Sommer einer zweimal täglichen Bewässerung, früh morgens und spät abends, was bei Kletterpflanzen die aus dem natürlichen Boden rauswachsen, natürlich nicht notwendig ist, wobei auch Pflanzen die im natürlichen Boden wurzeln Wasser benötigen, aber nur einen Bruchteil des Wasser wie Pflanzen in Pflanzkübeln.

Ich hoffe ich konnte Ihnen die eine oder andere nützliche Anregung geben. 

Bleiben Sie gesund.

Gärtringen, den 13. März 2023

Bernd Geisel, Bauconcept Projektentwicklung GmbH

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